23.06.2015 / komba gewerkschaft

komba gewerkschaft brandenburg: Modernes Rettungswesen hat nun mal seinen Preis

Fachbereich Feuerwehr und Rettungsdienst der komba gewerkschaft brandenburg fordert eine gerechte Eingruppierung des neuen Berufsbilder „Notfallsanitäter“. Interview mit dem Fachbereichsvorsitzenden Ralf Pröseler, Rettungsassistent beim Rettungsdienst des Landkreises Oder-Spree GmbH.

„Das Land Brandenburg hat 14 Landkreise. Hier sind so ziemlich alle Modelle der Leistungserbringung vorhanden: vom Eigenbetrieb über kreiseigene GmbHs bis hin zur Vergabe an das Deutsche Rote Kreuz und die Johanniter Unfallhilfe sowie an private Einrichtungen. Viele Landkreise haben mittlerweile rekommunalisiert, sprich den Rettungsdienst wieder in kreiseigene GmbHs überführt“, erläutert Ralf Pröseler, Rettungsassistent beim Rettungsdienst des Landkreises Oder-Spree GmbH und Vorsitzender des noch jungen Fachbereichs Feuerwehr und Rettungsdienst der komba gewerkschaft brandenburg. „Der Regelrettungsdienst in Brandenburg wird immer von hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen durchgeführt - kein Ehrenamt oder Bundesfreiwilligendienst. Koordiniert werden die Einsätze des Rettungsdienstes im Land Brandenburg von fünf Regionalleitstellen. In den kreisfreien Städten Potsdam, Cottbus und Frankfurt/Oder ist der Rettungsdienst in den Feuerwehren integriert, in Brandenburg an der Havel agieren zusätzlich noch das Deutsche Rote Kreuz und die Johanniter Unfallhilfe.“

Die Brandenburger Rettungsdienste setzten Anfang Juni bei einer Demonstration in Oranienburg ein klares Zeichen für eine bessere Bezahlung und gerechtere Eingruppierung, unter ihnen Kolleginnen und Kollegen des komba Fachbereichs. Denn mit dem neuen Berufsbild „Notfallsanitäter“ statt Rettungsassistenten hat sich der Rettungsdienst verändert, zum Vorteil für Bürgerinnen und Bürger. Doch das hat seinen Preis. Mit Recht sollten die Beschäftigten im Rettungsdienst, die aufgrund ihrer Ausbildung zum Notfallsanitäter sehr viel höhere Standards in der Notfallrettung setzen, auch entsprechend bezahlt werden. Das entscheidende Bekenntnis der Arbeitgeber an den Tariftischen fehlt jedoch.


komba gewerkschaft: Welche Veränderungen bei den täglichen Anforderungen haben sich im Laufe der letzten Jahre im Rettungsdienst ergeben?

Pröseler: Die Arbeit wird mehr, Druck und Verantwortung steigen und der demografische Wandel in der Bevölkerung macht sich natürlich auch in Brandenburg bemerkbar. Neben dem steigenden Mangel an Hausärzten im ländlichen Bereich wird die Krankenhauslandschaft seit Mitte der 90er ausgedünnt. Die Einsatzzahlen haben sich deshalb in einigen Bereichen des Rettungsdienstes innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Zudem kommen bei speziellen Notfällen die längeren Fahrtwege in weiter entfernte Kliniken. Vor diesem Hintergrund mussten Rettungswachen beziehungsweise Notarztstandorte aufgestockt und neu errichtet werden, um die gesetzlich vorgegebene 15-Minuten Hilfsfrist einzuhalten. Trotzdem kommt es aufgrund des erhöhten Einsatzaufkommens gerade im ländlichen Bereich zu immer mehr Einsätzen, bei denen kein oder erst sehr verspätet ein Notarzt zur Verfügung stehen kann.
Zusätzlich greift der demografisch Wandel: Zu dem Personal für neue Wachen müssen viele ältere Beschäftigte ersetzt werden. Andererseits wandern die jungen, ungebundenen Kolleginnen und Kollegen in andere Bundesländer oder Landkreise ab, in denen die Bezahlung besser ist. Viele Landkreise beklagen deshalb einen zunehmenden Fachkräftemangel im Rettungsdienst.

Diese Veränderungen belasten den Rettungsdienst immens, obwohl das Land Brandenburg frühzeitig in einigen Bereichen des Landesrettungsdienstgesetzes (Novellierung 2008) darauf reagiert hat. Beispielsweise wurden in einigen Landkreisen erweiterte Versorgungsmaßnahmen durch die ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes (ÄLDR) eingeführt. Das bedeutet, dass zusätzliche Schulung der Kolleginnen und Kollegen mit anschließender Abnahme der Befähigung für die Anwendung zusätzlicher Maßnahmen sowie Medikamentengabe durchgeführt wurden. Das Fachwissen der Kolleginnen und Kollegen wurde und wird damit immer besser.

komba gewerkschaft: Wie bewertet der Fachbereich das Notfallsanitätergesetzt (NotSanG)?

Pröseler: Gerade beim bestehenden Fachkräftemangel erhoffen wir uns im Laufe der nächsten Jahre wieder einen Zuwachs. Bisher mussten die Kolleginnen und Kollegen ihre Ausbildung zum Sanitäter oder Assistenten selbst finanzieren. Deswegen ging dafür das Interesse im letzten Jahrzehnt stark zurück. Zudem wollte niemand mehr in einen Beruf investieren, bei dem monatlich rund 1650 -1850 Euro rausspringen. Eigentlich unvorstellbar, da die Rettungsdienste nicht den Landkreisen auf der Tasche liegen, sondern von den Krankenkassen durchfinanziert sind.

Dieser Trend wird sich jetzt, da der Notfallsanitäter endlich ein echter Ausbildungsberuf ist, hoffentlich umkehren. Erst Recht, nachdem viele Landkreise in Brandenburg den Rettungsdienst in eigenen kommunalen GmbHs durchführen. So könnte nach Anwendung des TVöD oder bei TVöD-basierten Haustarifen auch wieder die Bezahlung der Kolleginnen und Kollegen stimmen – könnte! Ich sag immer, ein guter Rettungsdienst kostet Geld - ein schlechter Menschenleben. Brandenburg steht einem modernen Rettungswesen sehr offen gegenüber, aber das hat eben auch seinen Preis.

Über gewisse Regelungen des NotSanG ist der Fachbereich nicht erfreut. Beispielsweise sind die Anforderungen an den Notfallsanitäter im Gesetz sehr vage formuliert. Es bleibt jedem Bundesland selbst überlassen, diese Formulierungen mit Inhalten zu füllen. Das bedeutet: Ein in Schleswig-Holstein ausgebildeter Notfallsanitäter kann andere Inhalte gelernt haben als einer aus Brandenburger oder Hessen. Hier haben wir uns einheitlichere und dabei genauere Regelungen versprochen.


komba gewerkschaft: Welche Veränderungen sind sich seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2014 festzustellen?

Pröseler: Die Aus- und Weiterbildung zum Notfallsanitäter läuft seit Mitte 2014 an den beiden zugelassenen Schulen in Potsdam und Bad Saarow auf Hochtouren. Alle Kurse sind zu 100 Prozent besetzt und können die eigentliche Nachfrage nicht abdecken. Bei der Weiterbildung der vorhandenen Rettungsassistenten gibt es ebenfalls Probleme. Besonders sei hierbei die Stichtagsregelung zu erwähnen. Diese regelt, dass Vorbeschäftigungszeiten als Rettungsassistent nur bis zum 31.Dezember 2013 angerechnet werden. Alle Tätigkeiten als Rettungsassistent ab dem 1. Januar 2014 werden quasi bei der Anerkennung der Berufserfahrung nicht mehr bedacht. Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen bei denen nur einige Wochen entscheidend sind, ob sie für 80 oder 480 oder 960 Stunden erneut die Schulbank drücken müssen, um die Weiterbildung zum Notfallsanitäter zu absolvieren. Die Betroffenen sind entsprechend frustriert.

Erfreulich ist wiederum, dass die Verordnung zum Brandenburger Rettungsdienstgesetz, in dem die Besetzung der Rettungsfahrzeuge geregelt wird, sehr schnell aktualisiert wurde. Hervorzuheben ist dabei, dass es den Rettungsassistenten zumindest als Fahrer des Notarzteinsatzfahrzeuges auch nach dem Jahre 2020 geben wird. In vielen anderen Bundesländern existiert dieser Beruf nach 2020 nicht mehr. Brandenburg schätzt die Erfahrung älterer Kolleginnen und Kollegen und möchte diese weiterhin nutzen.

komba gewerkschaft: Welche Forderungen hat der Fachbereich an die Arbeitgeber?

Pröseler: Wir haben Leitlinien erarbeitet, um unsere vorhandenen und zukünftigen Tarifabschlüsse auf ein gemeinsames Niveau zu bringen. Dabei einigten wir uns auf eine Eingruppierung des Notfallsanitäters in EG 9. Immerhin handelt es sich ja beim dem neuen Berufsbild um den qualifiziertesten medizinischen Beruf nach dem Arzt.

Da aber eine bundeseinheitliche Regelung mit den kommunalen Arbeitgebern über die Eingruppierung des Notfallsanitäter noch auf sich warten lässt, wird man über kurz oder lang in den Landkreisen regionale Lösungen finden wollen. Es gibt ja seit Mitte 2014 die ersten, die in ihrem Beruf arbeiten und entsprechend vergütet werden wollen. Bisher sitzen jedoch die Verantwortlichen in den Landkreisen diese Thematik aus.

Bei den Verhandlungen in Oranienburg wurde endlich das Thema der Eingruppierung mit in die Tarifverhandlungen aufgenommen. Doch leider kam es trotz vieler Verhandlungsrunden und der Protestkundgebung vor dem Landratsamt in Oranienburg zu keiner Einigung. Das Angebot der Arbeitgeberseite ist definitiv ein Schlag ins Gesicht für zukünftige Notfallsanitäter. Die Anforderungen an sie sind enorm und die gesetzlich verankerte Verantwortung ist groß. Das muss entsprechend honoriert werden.

komba gewerkschaft: Wie bewerten Sie die derzeitige Verhandlungslage für Brandenburg?

Pröseler: In den Landkreisen gibt es auf Arbeitgeberseite keine Konzepte. Sie wollen nicht erkennen, dass Qualität auch angemessen bezahlt werden muss. Anders läuft es zum Beispiel bei der Feuerwehr in Berlin. Dort wird die Ausbildung zum Notfallsanitäter mit einer sehr guten Eingruppierung vorangetrieben. Diese kluge Einstellungspolitik lockt das Fachpersonal aus berlinnahen Landkreisen. Doch um der Abwanderung der Arbeitskräfte entgegen zu wirken und in Zukunft noch handlungsfähig zu bleiben, ist es dringend notwendig, ein an Berlin angelehntes Eingruppierungsmodell in den Landkreisen zu schaffen.

Eine schnelle Einigung bei den Bundesverhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern (VKA) zur Eingruppierung von Sanitätern, Rettungsassistenten und Notfallsanitätern würde vielen Kolleginnen und Kollegen helfen, weil damit den regionalen Verantwortlichen der Entscheidungs- beziehungsweise Verhandlungsdruck genommen wird. Hier haben ich aber das Gefühl, dass die VKA wiederum darauf wartet, welche Regelungen in den Kommunen getroffen werden, um sich daran zu orientieren. Die Katze beißt sich somit in den eigenen Schwanz. Der derzeitige Stillstand durch destruktives Abwarten ist Gift für die Zukunft des Notfallsanitäters.

komba gewerkschaft: Vielen Dank für das Gespräch!

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