24.04.2021 / dbb beamtenbund und tarifunion

tacheles 4/2021: Entgelttransparenzgesetz: Arbeitgebende müssen eine vermutete Diskriminierung widerlegen

© gerd altmann / pixabay.com
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Sofern eine Frau weniger Entgelt erhält als das vom Arbeitgebenden mitgeteilte Vergleichsentgelt ihres männlichen Kollegen, spricht dies nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. Dem Arbeitgebenden obliegt dann die Verpflichtung, diese Vermutung zu widerlegen (BAG, Urteil vom 21. Januar 2021, Aktenzeichen 8 AZR 488/19).

Der Fall
Die Klägerin ist als Abteilungsleiterin bei der Beklagten tätig und wird außertariflich vergütet. Sie verlangte von der Beklagten gemäß § 11 Entgelttransparenzgesetz (EntGTranspG) Auskunft über das Entgelt ihrer männlichen Kollegen. Die Arbeitgeberin teilte ihr daraufhin im August 2018 gemäß den Vorgaben von § 11 Abs. 3 EntgTranspG das Vergleichsentgelt der im Unternehmen beschäftigten männlichen Abteilungsleiter mit. Hierbei stellte sich heraus, dass das Vergleichsentgelt sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Klägerin lag. Zudem war das Durchschnittsentgelt vergleichbar beschäftigter männlicher Abteilungsleiter unstreitig um acht Prozent höher als das der Abteilungsleiterinnen. Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin auf Zahlung der Differenz zwischen ihrem Entgelt und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte. Sie ist der Auffassung, dass die ihr erteilte Auskunft belege, dass durch die Beklagte eine Entgeltbenachteiligung wegen ihres Geschlechts erfolgt sei. Das Arbeitsgericht hatte der Klage zunächst stattgegeben. Im Berufungsverfahren gab das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen jedoch der Beklagten Recht. Denn nach Ansicht des Gerichts bedürfe es nach der Beweislastnorm des § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eines Vortrags, der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts schließen lässt. Zwar liegt das Entgelt der Klägerin unter dem Median der Vergleichsgruppe, diese Auskunft allein würde jedoch nicht ausreichen, um eine Diskriminierung festzustellen. Hier wäre weiteres Vorbringen der Klägerin erforderlich. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Revision beim BAG ein.

Die Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Nach Auffassung des BAG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor und die Klage durfte nicht mit der vom LAG Niedersachsen gegebenen Begründung abgewiesen werden. Denn aus der von der Beklagten erteilten Auskunft des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt gemäß den Vorgaben des EntgTranspG ergibt sich zugleich immer auch die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson. Schließlich erhalte immer entweder ein konkreter oder ein hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für eine gleiche beziehungsweise gleichwertige Tätigkeit. Vorliegend hat die Klägerin somit eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, da ihr Entgelt geringer ist als das einer maßgeblichen männlichen Vergleichsperson gezahlte, so das BAG. Entgegen der Annahme des LAG Niedersachsen begründet dieser Umstand – nach Ansicht des BAG – somit zugleich die von der Beklagten zu widerlegende Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfahren hat. Ob die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast genügt hat, konnte das BAG jedoch nicht abschließend beurteilen. Denn anhand der getroffenen Feststellungen war für das Gericht nicht zu erkennen, ob die Beklagte die Vermutung – den Vorgaben von § 22 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung entsprechend – widerlegen konnte. Aus diesem Grund hob das BAG die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG Niedersachsen zurück.

Das Fazit
Am 6. Juli 2017 ist das EntgTranspG in Kraft getreten und seit Januar 2018 ist der Auskunftsanspruch, um Informationen über das Vergleichsentgelt und über die Kriterien und Verfahren der Entgeltermittlung zu erlangen, geregelt. Ziel ist es, Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern, die eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit ausführen, aufzudecken und zu korrigieren und so für mehr Entgeltgerechtigkeit zu sorgen. Durch das Urteil des BAG haben Arbeitnehmende nun bessere Möglichkeiten, die gleiche Bezahlung durchzusetzen. Denn eine Entgeltdifferenz bei der Entgeltauskunft kann künftig als Indiz genügen, um eine Diskriminierung wegen des Geschlechts zu begründen. Arbeitgebende müssen dann versuchen, diese Vermutung zu widerlegen.

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